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Vorwort zu 1786 Cunradi: Die Reisenden ...

  • 1788-1791 Johann Gottlieb Cunradi 1757-1828, Johann Georg Friedrich Papst 1754-1821
    Die Reisenden für Länder- und Völkerkunde
    von zween Gelehrten herausgegeben. 5 Bände Nürnberg 1788-1791: in der Felsekerschen Buchhandlung.
    1786 Cunradi: Die Reisenden ...

Vorrede

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Es war gewiß kein unglücklicher Tausch, als das deutsche lesende Publikum gegen Reisebeschreibungen in allerlei Sprachen und Zungen, seine falschen Busenfreunde, die Romane, größtentheils aufgab. Schon schienen diese so festen Fuß in unserm Vaterlande

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wie seit undenklichen Zeiten in Frankreich, gefaßt zu haben, als endlich Väter und Mütter, Erzieher und Gelehrte mit Wehmuth bemerkten, daß diese neue Bücher-Colonie, den, gerade in der Blüthe stehenden, deutschen Männer- und Mütter-Anflug, eben so sehr entkräfte, als Queken den Waizen. Man fieng also an, mit vereinten Kräften auszureuten; der grose Gott der nervigten Deutschen seegnete die Arbeit der ämsigen Laienbrüder und schüzte den iungen Schlag gegen die gedohete Verheerung. Die Nation erhielt ihre Cook, Forster, Volkmann, Sulzer, Gerken, Meiners, Archenholz, Niesbek, Nikolai und so manches andere in Journalen aufgestellte Fragment von einheimischen

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Reisenden; die Nation fand an diesen Gefallen und merkten beim Genuß dieser soliden Kost, daß jener süßlichtmatte Quekentrank, den die meisten Romanschreiber dargereicht hatten, für die frischen Mägen der Deutschen zu erschlappend gewesen waren. Von Hermes, Wiland, Musäus, Nikolai, dem Izehoischen Müller und einigen andern, wurde freylich auch nahrhafte Milch gereicht, allein sie war nicht zur Sättigung hinlänglich und gedieh nur in männlichen Mägen. Der Jüngling muste also entweder dursten, oder sich am robinsonischen Meerwasser, Siegwartischer Mondskühle und Carlsbergischen Thränenfistel bei übergroser Menschenpein so Lange laben, bis Campe, Papst und Salzmann

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auch für diese Reisen von allerlei Art geniesbar zurichteten. Greift nunmehr der Teutsche in jedem Journale zuerst nach den Fragmenten der Reisebeschreibungen, führt mau seine Knaben und Mädchen, so bald sie in Geellerts Fabeln vollkommen lesen gelernt, zu einen ihren Kräften angemessenen Wanderstabe, ist Lander- und Völkerkunde Lieblingsstudium unter uns geworden; so kann es der heutigen Lesewelt nicht mißfällig seyn, wenn wir mit für ihre Bedürfniße sorgen und ein eignes Repertorium von kleinern und größern Reise-Fragmenten für sie sammeln. Dahin geben die beiden Herausgeber, die bereits in Schriften ähnlicher Art ihr Publikum ehehin fanden, mit jedem halben Jahre wenigstens

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ein Alphabet, gröstentheils mit Aufsätzen aus unsern eignen schon gesammelten Magazinen, ab; fordern aber auch alle und jede Reisende auf, denen es verliehen ist, Sachen zu sehen und treu zu referiren, ihre Beiträge, samt den Bedingungen ihrer Publikation, versiegelt einzusenden : An die Herausgeber der Reisenden für Länder-und Völkerkunde —- unter dem Couvert: an die Felsekersche Buchhandlung in Nürnberg. Ein Beitrag fülle einen oder viele Bögen, erstreke sich über einzelne Gegenden, oder ganze Länder, befasse sich mit religiösen oder politischen Gegenständen, so ist er den Herausgebern gleich willkommen, sobald er mit weiser Schonung geschrieben ist, die sich jene zum

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ersten Gesez gemacht haben, ohne jedoch der vernünftigen schriftstellerischen Freimütigkeit etwas Wesentliches dadurch zu vergeben. Jeder Brief ist uns schäzbar, sobald er etwas von dem enthält, was ein Land und Volk Merkwürdiges vorzuzeigen hat, es betreffe nun Naturprodukte oder Kunstfleiß, natürliche Volkstalente oder Vor-und Rükschritte ihrer Ausbildung. DieAufsäze können, nach dem Willen des Einsenders, mit und ohne Nahmen eingerükt werden, nur behalten sich die Herausgeber das Vergnügen vor, hie und da etwann eine Anmerkung beyzusügen. So mancher, der sich die Freude macht, auf seinen Reisen an Ort und Stelle diese oder jene Nachricht niederzuschreiben, solte sich da als

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noch grösere Schadloshaltung für seine Mühe, auch die höhere Lust nicht versagen, durch Mittheilung derselben, allerlei Arten von Kenntnißen weiter zu verbreiten. Wir sind nicht Anekdoten hungerig, werden nie in Sanders Sünde fallen und durch ein Vesikel der Dürftigkeit, gute Waare an den Mann zu bringen suchen, zumal da wir an ziemlich ergiebigen Quellen statistischer Kenntniße sizen und auch ein beträchtliches Stük deutscher und ausländischer Erde persönlich durchwandert haben. Nie werden wir auf Kosten freundschaftlicher Offenherzigkeit die geschwäzigen Erzähler machen, um unterhalten zu können, nie auf diese Art den heiligsten Rechten civilisirter Menschen zu nahe tretten.

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Laut unserer Ankündigung werden wie auch von allen Reisebeschreibungen, die von Messe zu Messe erscheinen, in diesem Repertorio, bald längere, bald kürzere Nachricht geben, so, daß es als eine allgemeine Bibliothek der neuesten Reisebeschreibungen wird können angesehen werden. Mehrere Gründe bestimmten uns, dies Geschäft erst mit dem nächst folgenden Baude anzufangen. Wie treu wir Mort zu halten gesonnen sind, vor iedem Bande einen merkwürdigen Mann von entschiedenem Einflüsse in das Wohl einer Stadt, eines Landes, er sey nun

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Fürst, Minister, Lehrer, Künstler und Kaufmann, oder auch ein anders Individuum eines Volks im vaterländischen Costum, im Kupfer erscheinen zu lassen, wird man aus dem zu diesem Bande gewiß nicht unglüklich gewählten und so treflich gearbeiteten, schließen können. Da wir vor der Ausgabe des Buches die Bögen nicht mehr zur Einsicht bekamen und dasselbe fern von uns gedrukt worden ist, so werden sich unsre Leser gedulden, wenn wir ihnen erst im 2ten Bande die villeicht eingeschlichenen

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Denkfehler bemerken. Geschrieben im Merz 1788. von den Herausgebern.

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