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wiki:weg-2

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Weg-2

Etymologie

`Weg´ in den indogermanischen Sprachfamilien

Die umfassendste sprachliche Untersuchung zu `Pfad, Weg, Straße´ (zu den Wortfeldern um road, path/pathway/foothpath, sidewalk, way, trajectory/course, route, street, track, trail, ford, (foot)bridge) in allen indoeuropäischen Sprachfamilien (Dockalová 2011) ergab vereinfacht und verkürzt:

  • die meisten Begriffe leiten sich von Verben der Fortbewegung ab:
    gehen (→ Gang), senden (→ Sendung, Gesandter) , tragen (→ Träger), aufbrechen (→ Aufbruch), durchdringen (→ per-, → trans-), suchen, führen (→ Führer) und andere mehr;
  • an zweiter Stelle stehen Ableitungen von der Umformung des Untergrundes:
    getretene Erde, zerbrochene Felsen, gelichteter Wald usw.;
  • in geringerer Anzahl folgen Begriffe, die von Fuhrwerken und dem Rad abgeleitet sind;
  • in vergleichbarer Menge namengebend ist die Form des Untergrundes:
    Einschnitt, Rille, Rinne, Gleis;
  • Begriffe für das Überbrücken von Gewässern und Untiefen:
    Bäume, Stämme und Balken oder Deiche.
  • Eine einzige Bezeichnung für Pfad (ig. H1ei-tór) muss aus einer älteren Protosprache stammen, im Sinne von `Ende der Lebenszeit´, also vielleicht verbunden mit dem `Weg ins Jenseits´.
  • Die ergiebigsten namengebenden indogermanischen Wurzeln für `Pfad, Weg, Straße´ für alle Sprachfamilien sind *H1ei- `gehen´ (to go) und *sentu-/-o- `senden´ (to sent).
  • Die Wurzel *uegh Weg (way) `tragen´ (to carry) wird in vier Sprachfamilien fruchtbar.
  • Ableitungen zur Wurzel *pont-(eH)-s `den Pfad suchen´ (to search /the path) finden sich in fast allen Sprachfamilien.
  • Die vermutlichste älteste Wurzel bhrodho- `Furt´ (ford) lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auch mit ähnlichen Belegen in den afroasiatischen Sprachen verbinden; für *dhreg- `tragen´ (to drag) lässt sich das nur vorsichtig annehmen.

Das lateinische via

Das mit Weg u̯ai sprachverwandte lateinische vir `Mann´ (igs. u̯ī̆ro, `der Kräftige´) betont die urwüchsige Kraft und findet sich auch in Werwolf und dem nordischen vargr 1).

Die Metapher vom Lebensweg könnte bereits in diesen sprachlichen Wurzeln angelegt sein, denn da solch kreatürliche Kraft Ausdruck von Leben ist - vita: `jung, grün, lebendig´ - verbindet dies im Lateinischen: `virgo´ (Jungfrau), `vir´ (Mann), `viridere´ (grün), `virga´ (junge Weidenrute), `verga´ `Hirtenstab´ 2).

Das griechische ὁδός

Das griechische Wort für Weg, ὁδός hodós (`Hodometer´) wurzelt im idg. *sed- `gehen´, bildet jedoch mit der Vorsilbe μετα metá `nach, mit, zwischen, über´ das heute vertraut erscheinende Wort `Methode´ und deutet damit auf den `Weg zu einem Ziel hin´ als Art und Weise dieses Ziel zu erreichen. Insofern sind ὁδός und Weg bedeutungsgleich.

  • Hupfeld, D. H.
    Noch ein Wort über ἅξιoς und Verwandtes.
    Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen, 8.5 (1859) 370–375. Online Mit Bezügen zu Achse, Weg u.a.

Das nordische leið

In den nordischen Sprachen findet sich der Rómavegr und der Wegur til Róms, aber auch Wege im Sinne von Routen wie vestri leið, eystri leið 3). Während hier `Weg´ vorwiegend die Landreise mit dem Ortsziel bezeichnet, verweist leið eher auf eine Schiffahrtsroute und die Angabe der Himmelsrichtung; erkennbar auch an der etymologischen Wurzel zu *leiÞan im Sinne von `gleiten´ 4). Himmelsrichtungen werden aber nicht am Kompass festgemacht, sondern an variablen Orientierungssystemen: Man segelt nordwärts, weil die Küste rechts zu sehen ist, auch wenn der Küstenverlauf nach Osten oder Süden abknickt 5): Im Namen nor-way ist der Landesname Norwegen angelegt - das Land, wo der nor-way wieder nach Süden führt.

leið öffnet ein Begriffsfeld um den Weg, aber auch um das Leiden, gemeinsam ist beiden die zielgerichtete Bewegung, das Vorankommen. Diese Bewegung im physischen ebenso wie im übertragenen Sinne führt auf ein Ziel hin, sie bringt den Menschen weiter, befördert und entwickelt ihn. Ausgelöst wird die Bewegung durch einen inneren Antrieb, den Druck der Drangsal, das drängende Bedürfnis zu etwas hin 6).

`Weg´ in den germanischen Sprachen

`Weg´ und seine Ableitungen wurzeln im indogermanischen u̯ai, das ein zielgerichtetes Bewegen ausdrückt, dabei jedoch Kraft und Willen ausdrücklich betont, in den Begriffsfeldern:

  • jagen (Waidwerk), verfolgen, verlangen, streben, sehnen, wollen > Kampf, Aufbruch, Reisen
  • Nahrung suchen (weiden), genießen > Speise, Wegzehrung
  • eilig, schnell, kräftig > Fahrt
  • leiten, lenken, führen > Spur, Weg, Pfad

Unter allen 21 Nomina der Fortbewegung in den altgermanischen Sprachen sind nur *wega und *ganga in allen Einzelsprachen bezeugt. Darüber hinaus war es auch in drei weiteren indogermanischen Sprachfamilien fruchtbar 7), wurzelt also in deren Protosprache. Dabei führt das Weg-Wort mit 730 Belegstellen und wird zum Angelpunkt der Fortbewegung und der damit verbundenen Metaphern. Das urgermanische Fortbewegungsverb *wegan wurde bereits im Sinne von Unterwegs-sein genutzt, hat aber im heutigen Sprachgebrauch das gesamte Wortfeld durchdrungen:

  1. als Teil des Adverbs `Unterwegs-sein´;
  2. als Präfix `weg-´ (gehen, fahren, reisen, reiten …);
  3. im Objekt des Weges;
  4. in Bildungen wie Wegfindung, Wegzehrung.

Die Varianten des Wortes sind über die gesamte Zeit immun gegen Bedeutungswandel und lassen damit auf Wurzeln schließen, die bis in die gemeingermanische Zeit reichen 8).

Die ältesten Quellen zeigen im Isidor Vuegh, im Ottfried Weg, bei Ulphilas Wigs, im Angelsächsischen Waeg, im Isländishen Vegur, im Schwedischen Väg, im Englischen Way, im Latenischen Via, in den ältesten Zeiten Veha 9) und mhd. wec, gen. weges, mnd. wech, afries. wei, wi, anord. vegr (auch 'fahrt, reise, ausweg, verfahren, art und weise, richtung, seite, strecke') dän. vei 10).

1)
N. L. Westergaard
Über die Verwandtschaft zwischen dem Sanskrit und Isländischen
Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache. G. Reimer, Berlin 1846
S. 124 und 137-139 über die sprachlichen Verbindungen zwischen Vargr (aisl.), Vrika (sk.) `Wolf´ zu ver (isl.), vira (sk.) `Mann´.
2)
sehr ausführlich diskutiert https://latin.stackexchange.com/questions/5455/are-vir-and-virgo-etymologically-relatedhier;
Romain Garnier
Sur l’étymologie du latin virgō « vierge «
Studia Etymologica Cracoviensia 19.2 (2014) 59-70
3)
Leiðarvisir einem Itinerar von Nikúlas Bergsson um 1155
4)
Breidbach, S. 260
5)
Simonsen, Povl
Ottar fra Hålogaland Ottar 14 (1957) 3, Anmerkung 11, S. 10 f.
Ottar, Populære småskrifter fra Tromsø Museum. Lofotpostens trykkeri
6)
Das Leiden: Der Weg, das Befördernde, das Entwickelnde, in:
Kühnhold, Christa
Der Begriff des Sprunges und der Weg des Sprachdenkens
eine Einführung in Kierkegaard
Berlin 1975: Walter de Gruyter
S. 112-115, dort auch ein anschauliches Begriffsfeld
7)
in den baltischen, italischen und tocharischen Sprachen, s. Doçkalová 2011:331
8)
Winfried Breidbach: Reise - Fahrt - Gang. Nomina der Fortbewegung in den altgermanischen Sprachen. Peter Lang 1994 Diss. Köln
9)
„Wẽg“, Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/Adelung?lemid=W01120>, abgerufen am 23.05.2021
10)
„weg, m.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=W10890>, abgerufen am 23.05.2021; zu vegr s. Fritzner 3, 891
wiki/weg-2.1741661711.txt.gz · Zuletzt geändert: 2025/03/11 02:55 von norbert

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