Robert Foley
Menschen vor Homo sapiens
Wie und warum unsere Art sich durchsetzte
Aus dem Englischen von Beate Mittmann. Herausgegeben und mit einem Geleitwort versehen von Wighart von Koenigswald. Species Band 5. J. Thorbecke Stuttgart 2000
Die Erdoberfläche besteht zu zwei Dritteln aus Wasser (Ozeane und Meere) und bietet nur zu einem Drittel Landoberfläche (Erdteile > Kontinente und Inseln), von dem wiederum nur ein Bruchteil oikumene ist, also bewohnbare Landschaft. Darauf richteten sich die Interessen der Menschen primär, sie suchten das Land, in dem Milch und Honig fließen, den locus amoenus. Nur als Mittel zum Zweck wurden Gebirge überquert, Wüsten durchzogen und Ozeane besegelt. Einzelne treibt jedoch die Neugier als Selbstzweck zum Aufbruch - ihr Abenteuer besteht darin Grenzen nicht zu akzeptieren und die nicht-bewohnbaren Landschaften als Herausforderung zu betrachten. Diese werden zum Zwischenraum, die Fahrt hindurch wird zum Übergang. Das Risiko solcher Unternehmungen und Projekte trägt der Einzelne, der Nutzen im Erfolgsfall kommt allen zugute.
in der Rückschau begann der Homo erectus vor 1-2 Millionen Jahren, den eurasischen Kontinent zu entdecken; ihm folgten der Homo heidelbergensis, der Homo florensis (»Hobbit«) und der Denisova-Mensch. Frühestens vor rund 100.000 Jahren verließ der Homo sapiens Afrika. Er traf auf die anderen, man begegnete und vermischte sich manchmal. Überlebt hat nur der Homo sapiens. Er entdeckte als »homo viator« die Erde, ziemlich lange und oft mehrmals 1), vielleicht auch weil er mehr als die anderen ein »homo portans« war, ein Gepäckträger.
Der größte Schritt war jedoch die Entdeckung der Rückseite der Erde. Diese war den Blicken ebenso entzogen wie die Rückseite des Mondes: unendlich weit weg, verborgen und undenkbar. In dieser langen *Entdeckungsgeschichte haben *Entdecker und Erforscher jahrtausendelang das *Wissen über die Erde zusammengetragen und damit die *Welt der Menschen immer wieder verändert.
Die Entdeckung war immer so lange neu, wie das *Wissen über die Entdeckung nicht allgemein zugänglich war. Irgendwann setzte der erste Homo sapiens seinen Fuss auf das amerikanische Festland. Rückblickend war er der erste. Aber hat er Amerika entdeckt? Schließlich hat er weder nach Amerika gesucht noch gewusst, dass es einen amerikanischen Kontinent gibt. Seine Nachfahren besiedelten den ganzen Kontinent, waren sich dessen aber nicht bewusst; so wenig wie sie wussten, dass es noch andere Kontinente gibt. Über die Besiedlungsgeschichte Amerikas weiß man wenig, um so phantasievoller wird darüber gestritten.
David J. Meltzer
Die Wikinger gingen dabei einen Schritt weiter 2) denn sie suchten nicht nur nach neuem Land, sondern kehrten zurück, gaben das Wissen weiter und lösten damit erneute Fahrten aus: Bjarni Herjólfsson
(* um 966) berichtete von seiner Entdeckung, ging aber nicht an Land, Leif Eriksson
( ca 970 - 1020) wiederholte die Fahrt und betrat das Land als Erster; ihm folgten Thorvald Erikson
(† ca 1005), Thorfinn Karlsefni
(980? - 1035?) und andere. Ihre Berichte wurden aufgezeichnet und weitergegeben 3), allerdings gab es auch zu dieser Zeit noch nicht die Vorstellung von Kontinenten. Ihre Entdeckung wurde vergessen, weil sie folgenlos blieb, weder zu einer dauerhaften Besiedlung noch zu Handel führte.
Dagegen gilt Columbus
(1451 - 1506) heute als * Entdecker Amerikas 1492, obwohl er es weder suchte noch die Küsten als * Kontinent oder gar als »Neue Welt« einordnete sondern bis zu seinem Tod als Teil Asiens betrachtete 4). Amerigo Vespucci
(1452 bis 1512) postulierte als erster, es handele sich um einen neuen Kontinent. Den Beweis dafür erbrachte Vasco Núñez de Balboa
am 25. September 1513, als er Panama durchquerte und am Pazifik stand.
»Le seizième siècle, dans sa grande et légitime extension, va de Colomb à Copernic, de Copernic à Galilée, de la découverte de la terre à celle du ciel.« Jules Michelet, Renaissance, Paris 1855,Histoire de France, Bd. 7
Jede Expedition brachte neues Wissen zurück und erst die Geographen und * Kartographen setzten daraus ein neues * Weltbild zusammen 5). Martin Waldseemüller
(1472 bis 1520) studierte Geographie und erstellte 1507 als Erster eine Weltkarte auf der Basis der neuen Entdeckungsberichte: Universalis cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrationes. Seine Wertschätzung für Amerigo Vespucci
war größer als die für Columbus, also nannte er den neuen Kontinent Amerika und nicht Columbia. Dieselbe Karte wurde gleichzeitig auch als Erdglobus erstellt. Beides veränderte den Blick auf die Welt grundlegend.
Die Entdeckung besteht also nicht daran, dass jemand den ersten Fuss auf dieses Land setzte oder das Neuartige erkannte oder ihm einen Namen gab. Dies sind vielmehr notwendige Voraussetzungen dafür, dass sich daraus folgend das Weltbild der Menschen insgesamt erweiterte 6); allerdings konnte man auch schon früher Weltbürger sein. Vorher war Mittelalter 7), gefolgt von der Moderne mit Aufklärung, Wissenschaft, Nationen, Demokratie, Liberalismus usw. Daraus erwuchs der Hinweis, dass die Welt heute mit europäischen Augen betrachtet werde 8). Das stimmt - aber wo sind die bewährten Alternativen? Beispielsweise entstand daraus das heutige Weltbild der Geographie auf wissenschaftlicher Grundlage, das weltweit anerkannt ist: es gibt weder chinesische Wendekreise noch einen amerikanischen Äquator; die Festlegung von Nordpol und Südpol erfolgt nicht interessegeleitet und ist keine Frage des Glaubens.
Wolfgang Zank
Dipesh Chakrabarty
Von weitem betrachtet erscheint der Planet Erde als blaue Kugel, die um die Sonne kreist. Aber aus der Nähe betrachtet wird daraus eine bucklige, abgeplattete Kugel mit Bauch, die sich auf der schiefen Bahn bewegt.
Weil die Erde in 24 Stunden einmal rotiert, gibt es eine 12.713 km lange Polachse zwischen Nordpol und Südpol. Am Bauch, also in der Äquatorebene, ist die Kugel rund 43 km dicker, also ist eigentlich der Chimborazo (6267 m) in den Anden der höchste Punkt der Erde, weil er vom Erdmittelpunkt weiter entfernt ist als der Mount Everest (8848 m). Der höchste Berg ist der Mauna Kea mit 10.203 m vom Meeresboden. Allerdings werden die Berghöhen als Abstand zur »mittleren Meeresoberfläche« (Meeresspiegel) angegeben. Die zu definieren ist nicht einfach und führt zu Ungenauigkeiten, zumal Gezeiten und Strömungen das Niveau beeinflussen. Weil auch das Schwerefeld der Erde ungleichmäßig ist, liegt die Meeresoberfläche des Indischen Ozeans um Sri Lanka mehr als 100 Meter unter dem theoretischen Meeresspiegel. Wie hoch ist dann der Adams Peak auf Ceylon wirklich?
Der Kreis um die Sonne ist in Wirklichkeit eine Ellipse und die Erdkugel rotiert um eine schiefe Achse, die einen viertel rechten Winkel (23,75°) zur Rotationsfläche um die Sonne (Ebene der Erdbahn oder Ekliptik) geneigt ist. Die Ellipse und die schiefe Achse sind Schuld an Jahreszeiten, Klimazonen und unterschiedlichen Tages- und Nachtlängen. Deswegen gibt es:
Kalendermerkmal | Datum | Sonnenstand |
---|---|---|
Sommersonnenwende | 21. Juni | über dem südlichen Wendekreis |
Wintersonnenwende | 21. Dezember | über dem nördlichen Wendekreis |
Tag-und-Nacht-Gleiche | 19./21. März & 22./23. September | über dem Äquator |
Anders formuliert: Zwischen den Wendekreisen kann die Sonne im Zenit stehen. Daher wird der Bereich zwischen den Wendekreisen als Tropen definiert.
Breitenkreis | Bezeichnung | Breite |
---|---|---|
nördlicher Wendekreis | Wendekreis des Krebses | N 23° 26′ 05″ |
südlicher Wendekreis | Wendekreis des Steinbocks | S 23° 26′ 05″ |
Die Wendekreise trennen die Nord- und Südhalbkugeln der Erde auch klimatisch, denn im Bereich der Tropen findet eine weitgehend geschlossene Luftzirkulation statt. Da die abgekühlten und trockenen Luftmassen an den Wendekreisen absinken, bilden sich dort bevorzugt Wendekreiswüsten 9) wie:
Zwischen den Wendekreisen bilden sich die Passatwinde aus als eine erdumspannende Luftströmung (Passatzirkulation):
Horst Eichler
Geographisches Hand- und Lesebuch für modernes Reisen.
Schlüssel und Anleitungen zum Verstehen und Erleben für Globetrotter, Jetter und Erlebnisurlauber
Touristbuch Hannover 1984
Klingt alt und ist alt - aber das Beste, was auf diesem Gebiet für Reisende je geschrieben wurde.
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Robert Foley
Thor Heyerdahl
1947 experimentell, indem er mit einem Floß aus Balsaholz, der Kon-Tiki, von Lima aus über den Pazifik segelte.
Das Floss ist im Kon-Tiki-Museum in Oslo zu besichtigen.Thor Heyerdahl
Hanno Beck
analysiert die Zusammenhänge zwischen Entdecker und Geograph, zwischen Entdeckungsgeschichte und Geschichte der Geographie gründlich : »Entdeckungsgeschichte und geographische Disziplinhistorie« in: Erdkunde Bd 9 Heft 3 (1955) 197-204Giambattista Vico
(1668 - 1744)Klaus Anselm Vogel
Dipesh Chakrabarty
Anthony Pagden